Sex, Krieg & Kir Royal
Konstantin Wecker spielt den Soundtrack seines Lebens in der Musik-Arena auf dem Tollwood
Von Moses Wolff
Abendzeitung, 6.7.2023
Mit freundlicher Genehmigung der Abendzeitung München sowie von Moses Wolff – alle Rechte bei der Abendzeitung München.
Dass er schon immer einen bunten Strauß der Vielseitigkeit im Handgepäck hat, der Wecker, war längst bekannt. Provokateur, Romantiker, Pazifist, Träumer, Revoluzzer, Urgestein, Liedermacher, Schauspieler, Arrangeur, Produzent, ein Mensch, der süchtig nach Leben, Aufrichtigkeit und Sinnlichkeit ist, stets bestrebt, etwas zu bewegen und immer mutig, aufzustehen und seine Stimme zu erheben, mal spitzzüngig, mal zornig, mal ergreifend. Und neben all diesem Schaffen hat er, nebenbei bemerkt, zahlreiche Filmmusiken komponiert, denen er in der Musik-Arena einen gesamten Gala-Abend widmet: Der Soundtrack meines Lebens.
Drei Stunden Humor, Nachdenklichkeit und Pathos
Eine Zeitung hat ihn mal als Ennio Morricone von der Isar bezeichnet. Ein guter Vergleich, der jener Mannigfaltigkeit, die das Münchner Publikum in der Musi-Arena erleben darf, durchaus gerecht wird. Gleich zu Anfang erzählt er selbstironisch von seiner allerersten Filmmusik. Die nämlich komponierte er für einen Softporno des legendären Alois Brummer, in dem Wecker dann gleich noch eine Rolle übernahm: „Beim Jodeln juckt die Lederhose“ (1974). Über die großen Monitore neben der Bühne dürfen die Fans den blutjungen Wecker bei einer tollkühnen Stuntarbeit betrachten, wie er sich von einem Hausdach zum Schlafgemach einer Geliebten abseilt und dazu ein bislang auf keiner Single veröffentlichtes Lied zum Besten gibt: „Holladi jupeidri holdrio holdrio. Holladi jupeidri jo. Vroni druck di her, mach mas Lem ned schwer, druck a bisserl her zu mir, dass i di dann besser spür. Vroni aller- wei miassast bei mir sei. Was is denn da vui dabei, vor und zruck und raus und rei, spui ma hoit des Spui, s werd uns scho ned z vui.“
Was für ein wunderbar augenzwinkernder Start in eine Zeitreise, die neben heiteren Elementen auch Zeit für Nachdenklichkeit, Sentimentalität und Pathos findet. Genau diese Melange zeichnet die sehr besonderen drei Stunden aus: Begleitet von seiner vertrauten Band samt dem genialen Jo Barnickl, der persönlich so manche verschollene Partitur herausgehört, arrangiert und aufbereitet hat, dem Orchester der Bayerischen Philharmonie, der vielseitigen Cellistin Fany Kammerlander, einem grandiosen Sologeiger, der umwerfenden russischen Opernsängerin Elmira Karakhanova und zahlreichen Gastmusikanten werden Kompositionen aus Filmen großer Meister wie Helmut Dietl, Marianne Rosenbaum, Margarethe von Trotta und Michael Verhoeven in perfekter Qualität vorgetragen. Parallel dazu sind, chronologisch aufgebaut, Ausschnitte vor und hinter den Kulissen aus „Peppermint Frieden“, „Schtonk“, „Die Weiße Rose“, „Liesl Karlstadt und Karl Valentin“ und „Apollonia“ zu sehen.
Zwischendurch plaudert Wecker launig über sein Wirken, macht kleine Scherze, lässt jedoch genügend Raum für ernste Themen. Grandiosen Zwischenapplaus erntet er, als er sich klar gegen eine gewisse politische Haltung ausspricht: „Krieg wird von Politikerinnen und Politikern, die selbst nicht an die Front gehen, als einzige Lösung propagiert.“
Ein weiterer, wesentlicher Bestandteil der Revue sind die anwesenden Weggefährtinnen und Weggefährten des Münchner Künstlers, denen er an verschiedenen Stellen ein würdiges Forum bietet: Friedrich von Thun, Jo Bayer, Ron Williams, der im Duett mit einem Kind die Ballade „Hello Mr. Frieden“ aus dem Spielfilm „Peppermint Frieden“ auf anrührende Weise performt. Sigi Zimmerschied, Michael Verhoeven und Senta Berger konnten aus unterschiedlichen Gründen nicht dabei sein, dafür wird eine Grußbotschaft von Senta Berger vorgespielt, in der sie bekennt: „Die Komposition von Konstantin für die Serie ,Kir Royal’ und meiner Rolle als Mona ist sicherlich die schönste Filmmusik, die je für mich geschrieben wurde.“ Mario Adorf, der in einer der vorderen Reihen sitzt, spricht ins Mikro den wohl berühmtesten Satz seiner Karriere, ebenfalls aus „Kir Royal“, den er in der Rolle des Kleberfabrikanten Heinrich Haffenloher zu Baby Schimmerlos sagte: „Isch scheiß disch zu mit meinem Jeld.
“Wecker erinnert sich, wie die Zusammenarbeit mit Dietl zustande kam. Sie lernten sich kennen, als Dietl in Weckers ehemalige Wohnung in Schwabing zog. Wecker: „Du bist doch der Dietl?“. Dietl: „Und du der Wecker.“ Spontan entstand die Idee der Filmmusik für „Kir Royal“, Wecker komponierte, doch die Vorschläge waren Dietl nicht lustig genug. Wecker fragte: „Was empfindest du denn als lustig? Soll ich ein Fagott einsetzen? Eine Zither? Eine Tuba?“ Dietl: „Des woaß doch i ned. Du bist der Komponist.“ Einige Nächte später hatte Konstantin den entscheidenden Einfall, rief zu später Stunde bei Helmut an und pfiff ihm durchs Telefon eine Melodie vor. Dietl: „DES is lustig. Des nehma.“
Ein Song von Wader gemeinsam mit Reinhard Mey
Freilich gibt es auch einige wundervolle Wecker-Klassiker zu hören: „Niemand kann die Liebe binden“, „Revoluzzer“, „Die weiße Rose“, „Heit schaung die Madln wia Äpfi aus“, und schließlich „Dass dieser Mai nie Ende“, wenngleich der Mai sich in diesem Fall anders schreibt. Denn der Song dient der Einladung eines prominenten Kollegen auf die Bühne: Reinhard Mey, der gemeinsam mit Wecker zu Ehren ihres Freundes Hannes Wader, dessen hochemotionales Antikriegslied „Es ist an der Zeit“ gemeinsam vortragen.
Stehende Huldigungen aus dem Publikum, der Applaus will kaum enden, da tritt Konstantin Wecker noch für einen Gutenachtsong nach vorn und singt: „Wann i nimmer weiter woaß im Durchanand, von Lebn und Lust und Leid und Werdn und Sterbn, nimm i mi aufd Nacht selber bei der Hand, lass mi falln und schaug in d Stern. Wias da blinkt und blitzt und blüht am Himmelszelt, wird mei Herz auf oamoi wieder froh. So unendlich weit ist doch die ganze Welt, no vui weiter als i denka ko. Und i werd ganz kloa, kumm ma winzig vor, fast als gabat’s mi nimmer mehr. Und i schenk mi her, bin ois und neamands mehr, nur a Tropferl im Meer.“