Konstantin Weckers Grußbotschaft für die „SOZIALES RAUF, RÜSTUNG RUNTER“ Demo am 12 10 2024 in München
Konstantin Weckers Grußbotschaft für die von ver.di München & Region der GEW Bayern und dem Münchner Friedensbündnis zusammen organisierte „SOZIALES RAUF, RÜSTUNG RUNTER“ Demonstration am 12.10.2024 auf dem Odeonsplatz in München (Video- und Textversion)
Liebe Freundinnen und Freunde,
wir leben wieder in einer Zeit, wo wir wirklich aufpassen müssen:
Immer mehr Länder in Europa werden von Faschisten und Rassisten regiert.
Als bekennender Anarchist schlägt mein Herz für Räterepubliken, ob wie 1919 in München und Bayern oder heute in Rojava und Kurdistan.
Wir sollten uns in diesen schrecklichen Zeiten wieder an Künstlerinnen und Revolutionäre wie Zenzl und Erich Mühsam oder Ernst Toller erinnern.
Die visionäre Forderung „alles allen“ oder „alles für alle“ wurde erstmals in der Zeit der Räterevolution in München vor 105 Jahren aufgestellt.
Sie ist heute immer noch hoch aktuell: In einer Zeit, in der gleiche soziale und politische Rechte für alle Menschen wieder auf unerträgliche Weise bedroht sind, in einer Zeit, wo die Börsenkurse der Rüstungsfirmen explodieren und die Löhne real immer weiter sinken, sollten wir wieder über Revolutionen nachdenken: 1918 und 1919 haben hunderttausende Menschen auf der Straße die politischen und sozialen Rechte erkämpft, die wir heute wieder verteidigen müssen. Und den Anfang haben damals im Januar 1918 übrigens die Münchner Arbeiter*innen mit einem wilden Streik in den Rüstungsfabriken gemacht!
Es wird Zeit, endlich wieder massenhaft aufzustehen.
Deshalb wünsche ich euch und uns viel Kraft und schicke Euch mein Statement „Kein Werben und Forschen fürs Töten und Sterben – nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“:
Kunst, Wissenschaft, Bildung, Schulen und Hochschulen müssen kritische Orte und Foren der offenen Diskussion und des freien Denkens, Experimentierens und Forschens sein und bleiben.
Die Landesregierung in Bayern hat ihr „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr“ beschlossen, „um den ungehinderten Zugang der Bundeswehr zu Forschung und Entwicklung an Hochschulen sicherzustellen“ und „ihren Zutritt zu Schulen zu erleichtern“.
Das dürfen wir nicht zulassen: Die Schulen und Hochschulen dürfen keine staatlich sanktionierte Propaganda- und Werbebühne für die Interessen von Regierungen, Militär und Rüstungsindustrie werden. Deshalb müssen wir mit massenhaftem zivilem Ungehorsam die Selbstverpflichtung von Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen verteidigen, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen.
An den Schulen und Hochschulen soll das freie Denken gelernt und gelebt werden: Ohne instrumentelle Interessen, ohne einseitige Zielsetzungen und ohne politische Beeinflussung.
Statt Soldaten in Uniform an den Schulen und Forschung für tödliche Waffen an den Universitäten brauchen unsere Kinder, Jugendlichen und Studierenden mehr kritische Kunst und Literatur und eine politische Kultur der Auseinandersetzung auf der Suche nach einer gerechteren und besseren Welt für alle Menschen.
Junge Menschen sollten angesichts der Gefahr eines drohenden dritten und dann atomaren Weltkrieges verstehen, warum Kurt Tucholsky, einer der wichtigsten deutschsprachigen Schriftsteller, 1931 in seinem Text Der bewachte Kriegsschauplatz in der Zeitschrift Die Weltbühne geschrieben hat: „Soldaten sind Mörder“. Und sie sollten Romane wie „Der Untertan“ von Heinrich Mann, Gedichte von Erich Mühsam und „Eine Jugend in Deutschland“ von Ernst Toller lesen dürfen, bevor sie sich entscheiden müssen, ob sie wirklich Soldaten werden wollen.
Wenn heute Antimilitaristinnen, Pazifistinnen und Deserteure erneut als Vaterlandsverräter, Feiglinge oder Utopisten verhöhnt und ausgegrenzt werden, sollten wir uns daran erinnern, dass einige unserer größten Schriftsteller wie Erich Mühsam 1934 von der SS ermordet wurde oder Carl von Ossietzky 1938 an den Folgen der KZ-Haft und der Folter starb. Und wir sollten es nie wieder zulassen, dass sich Menschen wie Ernst Toller oder Walter Benjamin wie tausende andere Antifaschist*innen und Verfolgte vor dem Faschismus in den Tod retten müssen.
Deutschland ist für zwei Weltkriege, einen Vernichtungskrieg und den Holocaust verantwortlich. Ich fühle mich dem Schwur der Überlebenden der deutschen Konzentrationslager verpflichtet: „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“.
Deshalb engagiere ich mich gegen die Militarisierung der deutschen Zivilgesellschaft. Ich werde nicht aufhören zu träumen von einer herrschaftsfreien Welt ohne Krieg und Faschismus, von einer grenzenlosen Welt ohne Patriarchat, Rassismus, Unterdrückung und Ausbeutung von Mensch und Natur. Und solche Welten werden wir nicht erreichen durch Kriege zwischen Staaten und immer mehr Waffen.