Der Baum
Songtext
Warum muaß a grad i in der vordersten Reih stehn? Hintn möcht i stehn, ganz weit hintn, so weit hintn, daß mi koaner sicht, mittendrin im Wald. Jetzt muaß i mir des ois mit oschaugn aus nächster Näh. Unbeweglich schaugns aus, und trotzdem schiabn sie sich unaufhaltsam vor mit ihre Schilder und Knüppeln, Traktoren und Kreissägen. – Manchmal werdns a bisserl aufghoitn von a paar, aber des San ja vui zwenig, und die in ihre Uniformen, die werdn immer mehrer. Wo´s die bloß oiwei auftreibn? Na ja, ma hat ja scho immer Armeen ankarren müassen, wenn ma was verteidigen wollt, an des ma selber scho gar nimmer glauben ko.
I möcht Füaß ham zum Renna,
an Mund ham zum Schrein,
ned festgwurzelt sei,
i möcht mi befrein.
Ja, i war gern a Feuer,
a Brandung, a Sturm
und koa verseuchter, baumhoher Wurm.
Früher war i immer gern a Riese gwesen im brasilianischen Urwald – und ned a so a mickrige deutsche Eiche. Aber heitztog holzns ja an Urwald auch schon ab. Für McDonald´s zum Beispiel. Jeden Tag, Länder größer wia Bayern, für die Rindviecher, die wo dann von die andern Rindviecher zsammgfressn werdn. Ja und uns, uns hauns ja a bloß wega dena Rindviecher zsamn – und zwar wega jene, die wo si des ois ausdenkt habn. Ja, ja, i woaß scho, wir Bäume, wir kenna ja ned denka – aber bei eich is des a ned so gwiß, glaub i immer.
I möcht Füaß ham zum Renna,
an Mund ham zum Schrein,
ned festgwurzelt sei,
i möcht mi befrein.
Ja, i war gern a Feuer,
a Brandung, a Sturm
und koa verseuchter, baumhoher Wurm.
I hab Angst. Lang lassn si de nimma aufhoitn, und da werds hold mi jetzt boid als oan vo de erstn dawischn. Angeblich spüren wir ja nichts, wir Felsn, wir Viecher, wir Bleamen, wir Bäum – angeblich habn wir kein Gefühl. Und wie wir spüren und denken, lieben und fluchen – ja hörts ihr uns denn ned schrein, den liabn langa Tag, hörts ihr uns alle mitanander ned schrein, landauf, landab, alle, die noch am Lebn sind, das is ein Wehklagen, das ist ein Jammern – ihr hörts uns bloß nimmer, weils koaner mehr aushoitn dad. I hab Angst. Jetzt tragns die ersten weg. Die wehrn si gar ned. Jetzt tretns es und knüppelns es – und die wehrn si immer no ned. Bleibts mir bloß vom Leib, ich hab eich doch nix getan, wir ham eich alle mitanander doch no nia wos doa, und dabei kanntn wir doch so guat auskumma mitanand, des konn doch ned so schwer sei, wir ghörn doch alle zsamm, wir san doch alle vom selben Schlag.
I möcht Füaß ham zum Aufrechtgehn
und an Mund ham zum Plärrn.
I möcht festgwurzelt bleibn
und mich trotzdem wehrn.
Ja, i war gern a Feuer,
a Brandung, a Sturm
und koa verseuchter, baumhoher Wurm.
Musik und Text
Konstantin Wecker
Abdruckrechte
Sturm & Klang Musikverlag GmbH / Chrysalis Music Holdings GmbH / Alisa Wessel Musikverlag
Erstveröffentlichung
Weitere Veröffentlichungen
Zwischenräume – Die Studio-Aufnahmen 1973-1987 (2007)