Konstantin Wecker:
Faschismus ist keine Meinung,
sondern ein Verbrechen!
Ein aktueller Text von Konstantin Wecker zum 92. Jahrestag der Machtübergabe an die Nazis am 30.1.1933 und den Ereignissen im Bundestag am 29.1.2025
Konstantin Wecker:
Heute jährt sich die Machtübergabe an die Nazis zum 92. Mal.
Als Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt worden ist, war das keine Machtergreifung, wie der britische Historiker und Hitler-Biograf Ian Kershaw unmissverständlich klarstellt: Die Macht wurde den Nazis von anderen Kräften übergeben. Es waren die konservativen Eliten der Weimarer Republik, die deutschnationalen, reaktionären und christlichen Parteien, die Spitzen des deutschen Militarismus und die Besitzer der großen Konzerne und Stahlbarone, die sich satte Profite von einem autoritären Staat erwarteten.
Der Kanzlerkandidat der Union hat nichts aus der Geschichte gelernt. Merz paktiert mit Faschisten und Rassisten und versucht seine politischen Interessen mit ihren Stimmen im Parlament durchzusetzen. Seine Versuche, seine Verantwortung für sein Handeln abzugeben, sind dumm oder skrupellos.
Nach dem privaten Gala-Dinner seines früheren Arbeitgebers Black-Rock kürzlich in Davos spielt er den deutschen Trump. Als treuer Ex-Manager folgt der frühere Black-Rock-Manager Merz offensichtlich dem Weg des US-Investmentfonds und von Konzernen und Tech-Milliardären von Elon Musk bis Zuckerberg, die auf einen rassistischen autoritären Staat setzen. Und letztlich hat das BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) Herrn Merz zu einer Mehrheit und der AfD zu ihrem braunen Parlamentstriumph verholfen: Diese 8 Enthaltungen haben den schwarz-braun-gelben Pakt erst möglich gemacht!
In meinem Aufruf vom 22. Januar 2025 zur Bundestagswahl habe ich geschrieben: „In Zeiten, wo Tech-Milliardäre offen Faschisten, Rassisten und Sexisten unterstützen und der reichste Mann der Welt eine rechtsextreme Partei in Deutschland für seine eigenen Profitinteressen stark machen will, sollten wir auf den Straßen und in den Parlamenten laut und deutlich klar machen:
„Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.“
Was machen jedoch die meisten Politiker von den Regierungsparteien und Regierungsbündnissen von Berlin über Bayern (…)? Sie übernehmen lieber die rechte Hetze, (…) oder paktieren für ihre eigenen Machtinteressen bereits offen mit den Meloni-Faschisten. Sie könnten wissen, dass sie damit nur die Rassisten, Faschisten und Nazis und ihre Hetze weiter stärken. Die Faschisten in Österreich lassen grüßen.“ (Hier weiterlesen)
Es wird also vor allem auch die Aufgabe von uns allen sein, von den Menschen in diesem Land auf den Straßen, in den Betrieben, in den Schulen und Universitäten, uns gemeinsam der realen Gefahr von Faschismus und Rassismus entgegen zu stellen. Wir müssen den bürgerlichen Parteien unmissverständlich klar machen: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen! Wer die Hetze, die Sprache und die Inhalte der Faschisten und Rassisten Stück für Stück übernimmt, sie als Meinung salonfähig macht, anstatt sie zu bekämpfen, wird am Ende nur der Steigbügelhalter für den Faschismus sein. Die Union und die FDP haben gestern bereits offen mit der AfD paktiert und planen für morgen den nächsten Angriff auf die Demokratie. Die Spitzenkandidatin der Linken Heidi Reichinnek hat gestern im Bundestag zu Recht die SPD und die Grünen davor gewarnt, sich mit dieser Union gemein zu machen. Die Brandmauer gegen rechts muss erst wieder neu errichtet werden. Dafür brauchen wir eine große soziale, antifaschistische und antirassistische Bewegung, und dafür brauchen wir auch Die Linke im Bundestag.
Die Morde in Aschaffenburg sind schrecklich und meine Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer: Was für eine Tragödie für die Eltern des getöteten zweijährigen Jannis, die aus Marokko stammen. Oder für die schwer verletzte Zweijährige und ihre Eltern, die vor der Diktatur in Syrien geflohen sind? Was für eine Katastrophe für die Angehörigen des mutigen 41-Jährigen, der jetzt mit gefälschten Fotos in den sozialen Medien von Rechten instrumentalisiert wird.
Wie kann Herr Merz ihr Schicksal instrumentalisieren? Kennen er und Herr Söder die Ermittlungsakten? Sind sie sich sicher, dass der 28-jährige Mörder nicht in einem psychotischem Zustand den Stimmen des Wahnsinns gefolgt ist? Wie können sie die unmenschliche Tat ohne Fakten für ihre unmenschliche Politik missbrauchen?
Anstatt zu trauern und Anteil zu nehmen, die Tat aufzuklären und mögliche Behördenfehler zu analysieren, hat Merz & Söder einen rassistischen Wettlauf mit der AfD begonnen. Sind sie dumm oder skrupellos? Sie müssten eigentlich wissen, dass sie damit die Faschisten nur noch stärker machen werden. Selbst wenn sie kurzfristig selbst noch einmal an die Macht kommen sollten.
In dieser gefährlichen Situation überkommt mich ein so starkes Mitgefühl für all die wunderbaren Poetinnen und Poeten die verfolgt wurden, gedemütigt und ermordet wurden wie Erich Mühsam, Mascha Kaléko, Stefan Zweig und all die anderen großartigen Kämpfer*innen für die Menschlichkeit.
Und wie sie sich ihre Liebe zu den Menschen bewahren konnten, trotz all der Verzweiflung und all des unsäglichen Grauens.
Es erfüllt mich mit Dankbarkeit für das Glück, das ich haben durfte, in einem Elternhaus aufzuwachsen, das nicht faschistisch war und meine Gedichte zu singen, ohne Gefahr, trotz aller Anfeindungen, dafür gefoltert oder verfolgt zu werden. Was mir bleibt, ist in Ehrfurcht, mich vor meinen verehrten Kolleginnen und Kollegen zu verbeugen und zu versprechen, ihren Weg weiter zu gehen.
Lasst uns gemeinsam handeln gegen Faschismus, Rassismus und Patriarchat.
Euer Konstantin
https://www.freitag.de/autoren/konstantin-wecker/faschismus-ist-keine-meinung-sondern-ein-verbrechen